Puppe in spanischer Tracht

Diese etwa 14 Zentimeter große Puppe ist mit den Lebensgeschichten zweier Frauen verknüpft, die das KZ Ravensbrück überlebten. Lise London, geborene Ricol, schenkte sie der tschechischen Häftlingsärztin Zdenka Nedvědová zu deren 36. Geburtstag, den sie im Lager feierte. Woher die Materialien für die Puppe stammen ist ungeklärt. Womöglich beschaffte London sie aus der Effektenkammer oder den Beutegutbaracken. Die feine Spitze könnte auch ins Lager geschmuggelt worden sein.

Die Kleidung der Puppe ist einer traditionellen spanischen Tracht nachempfunden. London hat sie wohl in Erinnerung an ihr Leben vor dem KZ gestaltet. Die Eltern der französischen Kommunistin stammten aus Spanien und während des spanischen Bürgerkrieges war London an der Zusammenstellung der Internationalen Brigaden beteiligt. Danach war sie im französischen Widerstand aktiv und wurde 1942 verhaftet. Am 15. Juni 1944 kam sie ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück.
Hier lernte sie Zdenka Nedvědová kennen. Die tschechische Medizinerin hatte in Prag eine Kinderarztpraxis besessen, die als Treffpunkt für die Arbeit des illegalen Widerstandes diente. Im Juni 1942 wurde sie verhaftet und über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Im August 1943 kam sie zusammen mit 172 anderen tschechischen Frauen nach Ravensbrück. Im KZ arbeitete sie als Internistin bei dem SS-Arzt Percival Treite und als Kinderärztin im Säuglingsblock. Durch gefälschte Diagnosen versuchte sie anderen inhaftierten Frauen zu helfen. Daher war sie im Lager beliebt und erhielt viele Geschenke zu ihrem Geburtstag: gestickte Taschentücher, Zeichnungen, eine Torte aus Brot und Margarine und die kleine Puppe in spanischer Tracht von Lise London.

Puppe hergestellt von Lise London | August 1944 | Draht, Stoff, Menschenhaar
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, V606 D3


Zur Autorin:
Sabine Küntzel, M.A., hat in ihrer Masterarbeit Kunsthandwerk aus den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ravensbrück untersucht. Sie promoviert derzeit an der TU Dresden zu Kriegserfahrungen im Nordafrikafeldzug 1940-1943.

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